Staatsminister Dr. Florian Stegmann: Gemeinsam schaffen wir spürbare Entlastung durch erleichterte Verwaltungsverfahren und vereinfachte rechtliche Rahmenbedingungen / Regelungsgewirr zu lichten, erfordert Mut und harte Arbeit
„Die Entlastungsallianz ist das baden-württembergische Erfolgsmodell für den Bürokratieabbau. Es funktioniert gut, weil es zu uns passt: Schaffen, nicht reden. Konkrete Lösungen, statt Absichtserklärungen“, sagte Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Dr. Florian Stegmann am Dienstag (16. Juli 2024). Er hatte zuvor dem Ministerrat über das umfangreiche zweite Entlastungspaket berichtet, das von den Mitgliedern der Entlastungallianz gemeinsam erarbeitet wurde. Bereits im Februar waren mit dem ersten Paket zahlreiche Entlastungen vorgestellt worden, darunter Erleichterungen für Schulen bei der Datenverarbeitung, Vereinfachungen im Förderwesen und für Wirtschaft und Kommunen im Vergabewesen.
Das neue Maßnahmenpaket enthält 100 Punkte, von denen 56 durch die Kommunalen Landesverbände benannt wurden. 32 Maßnahmen wurden durch die Wirtschaft und zwölf durch das Land selbst eingebracht. „Nach wenigen Monaten sind weitere 100 Belastungen vom Tisch, was in der Kürze der Zeit durchaus vorzeigbar ist. Wir lösen ganz konkrete bürokratische Probleme, die Unternehmen und Kommunen unter den Nägeln brennen und zwar im Konsens zwischen den verschiedenen Interessengruppen“, so Stegmann. „Das zweite Entlastungspaket ist eine weitere Etappe, die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken.“ Alle Beteiligten wüssten, dass Bürokratieabbau Kärrnerarbeit sei. Das Regelungsgewirr der vergangenen Jahrzehnte zu lichten, erfordere Mut und vor allem harte Arbeit.
Der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl betonte: „Mit dem Bürokratieabbau haben wir ein dickes Brett zu bohren. Dazu braucht es viel Ausdauer und den Mut, Dinge anders zu machen. Und genau das zeigen wir mit der Entlastungsallianz. Wir nehmen den Bürokratieabbau ernst und arbeiten an praxisorientierten und bürokratiearmen Lösungen im Sinn unserer Bürgerinnen und Bürger, unserer Unternehmen und unserer Kommunen.“
Die wichtigsten Maßnahmen des Entlastungspakets II im Überblick:
Baden-Württemberg digitalisiert immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren
Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für Anlagen, die schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen können, ist ein komplexes und vielschichtiges Verfahren. Es müssen zahlreiche weitere Genehmigungen, Erlaubnisse, Bewilligungen und Zulassungen anderer Rechtsgebiete in die immissionsschutzrechtliche Genehmigung miteingeschlossen werden. Dafür müssen viele und umfangreiche Dokumente zwischen den Antragsstellenden und der Genehmigungsbehörde einerseits sowie zwischen den zu beteiligenden Fachbehörden andererseits ausgetauscht werden. Baden-Württemberg bietet nunmehr als erstes Bundesland eine digitale Antragstellung an. Zudem leiten im neuen Webformular eingebettete Hinweise und Informationen durch den Antrag und unterstützen die Antragsstellenden. So wird eine einheitliche Antragsstruktur erreicht, die die weitere Antragsbearbeitung erleichtert. Land übernimmt die Bearbeitung von Abschiebehaftanträgen Seit 15. April 2024 bietet das Regierungspräsidium Karlsruhe in einer sechsmonatigen Erprobungsphase an, die Beantragung von Abschiebehaftanträgen zentral zu bearbeiten. Die 137 unteren Ausländerbehörden haben somit die Möglichkeit, die entsprechenden Fälle an das landesweit für Rückführungen zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe abzugeben. Damit werden Ressourcen in den ohnehin stark ausgelasteten Ausländerbehörden freigesetzt.
Kindertagespflege wird zukunftsfähig ausgestaltet
Die bisherige Höchstzahl gleichzeitig betreuter Kinder wird durch die Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes um ein Kind erhöht. In der Großtagespflege - das sind Zusammenschlüsse von mehreren Kindertagespflegepersonen („Tageseltern“) - sollen zukünftig zehn Kinder betreut werden können. Und auch die baulichen Standards sollen im Sinne ressourcenschaffender Gestaltung angepasst werden. Es ist daher vorgesehen, dass im Rahmen der anstehenden Reform der Landesbauordnung Großtagespflegen zur Betreuung von bis zu zehn Kindern nicht als Sonderbau eingeordnet werden und somit keine besonderen Anforderungen an die bauliche Anlage gestellt werden können. Durch die angestrebten Flexibilisierungen sollen Betreuungsplätze geschaffen und die Personalsituation entschärft werden.
Verkehrsministerium hat landesweiten Lärmaktionsplan erstellt
Laut Verkehrsministerium unterliegen mehr als 750 Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg den EU-Vorgaben zur Lärmschutzplanung. Das ist vor allem für Kommunen, die nur gering von Lärm betroffen sind, mit verhältnismäßig hohem Aufwand verbunden, ohne für den Schutz vor Lärm etwas bewirken zu können. Das Ministerium für Verkehr hat daher einen landesweiten Lärmaktionsplan für Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken außerhalb von Ballungsräumen erstellt. Damit werden vor allem kleinere und mittlere Städte und Gemeinden entlastet.
Baden-Württemberg setzt sich für schlanke und digitalisierte Verfahren im Krankenversicherungsrecht ein
In der gesetzlichen Krankenversicherung ist Bürokratieabbau dringend erforderlich und eine Digitalisierung administrativer Prozesse notwendig. Mit einer im Rahmen der Entlastungsallianz erarbeiteten Bundesratsinitiative werden Vorschläge für verschlankte und digitalisierte Verfahren im Sozialgesetzbuch (Fünftes Buch) sowie für ein vereinfachtes Prüfverfahren im Rahmen des Risikostrukturausgleichs auf den Weg gebracht. Um zu spürbaren Entlastungen zu kommen, müssen viele Schritte gegangen werden: Unter anderem sollen Unterschriftserfordernisse reduziert und digitalisiert werden, Zuzahlungsbefreiungen digital hinterlegt werden und Krankenkassen über Veränderungen des Zusatzbeitrags auf elektronischem Wege informieren dürfen. Damit geht es schneller und billiger und vor allem zeitgemäß.
Entlastung für Unternehmen über Änderungen bei bundesrechtlichen Regelungen schaffen
Eine Vielzahl der in der Entlastungsallianz erarbeiteten Lösungen, die die Wirtschaft betreffen, liegen in der Zuständigkeit des Bundes. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus hat daher die Möglichkeit genutzt, viele dieser Entlastungsvorschläge über den Bundesrat in das Gesetzgebungsverfahren zum Bürokratieentlastungsgesetz IV einzubringen. In der Plenumssitzung des Bundesrates wurden 13 der 15 Anträge angenommen. Ein Antrag etwa adressiert das Problem, dass die Schwellenwerte – also Wertgrenzen, ab welchen rechtliche Regelungen befolgt werden müssen - im Arbeits- und Sozialrecht teils nach tätigen Personen, teils nach Arbeitnehmern, einmal mit und einmal ohne Auszubildende, berechnet werden. Manche Werte beziehen sich auf den einzelnen Betrieb und manche auf das gesamte Unternehmen. Bei manchen ist die Kopfzahl ausschlaggebend, bei manchen das Vollzeitäquivalent. Deshalb hat die Landesregierung zur verbesserten Transparenz und leichteren Befolgung für kleine Unternehmen unter anderem eine stärkere Harmonisierung von Schwellenwerten im Arbeits- und Sozialrecht gefordert. Ebenso wurden Vereinfachungen beim Antragsverfahren zur Elternzeit angemahnt.
Keine Erlaubnis mehr zur Beseitigung von Niederschlagswasser von Dachflächen in Gewerbegebieten erforderlich
Für die Beseitigung von Niederschlagswasser außerhalb der öffentlichen Kanalisation (durch Einleiten in ein oberirdisches Gewässer oder Versickern in das Grundwasser) benötigt man eine wasserrechtliche Erlaubnis. Ausnahmen gibt es aktuell beispielsweise für Niederschlagswasser von Hausdächern in Wohngebieten. Eine für Unternehmen wichtige Ausnahme soll auch für die Beseitigung von Niederschlagswasser von Dachflächen aus Gewerbegebieten eingeführt werden.
HIntergrundinformation:
Die im Staatsministerium von Staatsminister Dr. Florian Stegmann koordinierte Entlastungsallianz wurde im Sommer 2023 auf den Weg gebracht. Noch vor dem formalen Ministerratsbeschluss im November 2023 wurden Behörden und Verbände um möglichst konkrete Problemanzeigen gebeten. Inzwischen liegen - 5 - rund 500 Problemanzeigen vor. Die Entlastungsallianz ist als offenes und flexibles Arbeitsformat angelegt. Es können kontinuierlich weitere Vorschläge eingebracht werden. Die vorliegenden Problemanzeigen wurden zu Themenfeldern zusammengefasst und priorisiert. Gleichzeitig wurden innovative Arbeitsstrukturen auf Fachebene aufgebaut. In neun Facharbeitsgruppen entwickeln über 150 Expertinnen und Experten aus Verwaltung, Verbänden und der Praxis seit Dezember 2023 gemeinsam Entlastungsvorschläge. Ein erstes Entlastungspaket mit rund 20 Erleichterungen liegt bereits seit 24. Februar 2024 vor. Hier finden sich ausführliche Informationen zur Entlastungsallianz und auch zu den weiteren Säulen des Themenbereichs Verwaltungsmodernisierung und Bürokratieabbau
Gemeinsame Zumeldung zur Pressemitteilung des Staatsministeriums Nr. 50/2024 vom 16. Juli 2024: „Entlastungsallianz legt zweites Paket mit weiteren 100 Maßnahmen zum Bürokratieabbau vor“
Gemeindetag Baden-Württemberg Panoramastraße 31, 70174 Stuttgart Städtetag Baden-Württemberg Königstraße 2, 70173 Stuttgart Landkreistag Baden-Württemberg Panoramastraße 37, 70174 Stuttgart Baden-Württembergischer Handwerkstag e.V. Heilbronner Straße 43, 70191 Stuttgart Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag e.V. Jägerstraße 40, 70174 Stuttgart Unternehmer Baden-Württemberg e.V. Türlenstraße 2, 70191 Stuttgart Sparkassenverband Baden-Württemberg Am Hauptbahnhof 2, 70173 Stuttgart Baden-Württembergischer Genossenschaftsverband e.V. Heilbronner Straße 41, 70191 Stuttgart
Zum heutigen mündlichen Bericht im Ministerrat zum Sachstand der Entlastungsallianz und dem zweiten Entlastungspaket erklären die acht beteiligten Verbände aus Kommunen und Wirtschaft: „Es ist grundsätzlich positiv, wenn es nun ein zweites Entlastungspaket gibt. Zugleich müssen wir allerdings feststellen, dass dieses Paket hinter den selbstgesteckten Ansprüchen der Entlastungsallianz zurückbleibt. Denn nach dem Ernten der niedrig hängenden Früchte im ersten Entlastungspaket war das gemeinsame Vorhaben, im nächsten Schritt die dickeren Bretter zu bohren. Zwar sehen wir durchaus die im zweiten Paket verabredeten kleineren Erleichterungen. Angesichts der dringend erforderlichen Entlastung für Bürger, Wirtschaft und Gesellschaft ist dies aber einfach nicht genug. Auf diese Weise und bei dieser Gangart wird sich unser gemeinsames Ziel einer spürbaren Entlastung von Bürgern, Wirtschaft und Kommunen schwerlich erreichen lassen. Wir müssen Aufgaben und Standards im Zuge einer kritischen Überprüfung reduzieren und die eigentlichen Zukunftsherausforderungen priorisieren. Auch mit Blick auf das immense zeitliche Engagement, das alle Seiten in die Arbeit der Entlastungsallianz einbringen, bleibt das zweite Entlastungspaket ein gutes Stück weit unbefriedigend. Deshalb werden wir nun nochmals konkrete Vorschläge für eine schnelle und wirksame Entlastung unterbreiten, in dem wir Prioritätenlisten mit konkreten und entscheidungsreifen Maßnahmen vorlegen. Zu diesen konkreten Entlastungsvorschlägen gehört aus kommunaler Sicht zum Beispiel der Verzicht auf die Überfüllung bundes- und europarechtlicher Vorgaben, etwa im Zusammenhang mit dem Landesmobilitätsgesetz oder den Informationszugangsrechten. Ferner sollen Bürgerentscheide dort ausgeschlossen sein, wo es um gemeinwohlbezogene Infrastruktur z. B. in den Bereichen Schule, Kita, ÖPNV sowie bezahlbares Wohnen geht. Und auch den Umfang der Freistellungen nach dem Landespersonalvertretungsgesetz gilt es, auf das bis 2014 geltende Maß zurückzuführen.
Die Wirtschaftsverbände sehen zentrale Ansatzpunkte in der Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, der Reduzierung von Schriftformerfordernissen und Nachweispflichten sowie der Vereinheitlichung von Schwellenwerten, Rechtsakten und Antragverfahren. Auf der Agenda stehen für die Wirtschaft u.a. auch ein bürokratiearmes Vergaberecht, ein modernes Gaststättenrecht, eine Harmonisierung der Ausführungsbestimmungen zum Baurecht, eine angemessene Bankenregulierung, Vereinfachungen im Steuerrecht und ein Arbeitszeitgesetz auf der Höhe der Zeit. Uns ist dabei bewusst, dass wir für die Umsetzung auch die Unterstützung der Regierungsfraktionen im Landtag benötigen, an die wir uns daher auch direkt mit unseren Vorschlägen wenden. Nicht ohne Grund hatten die acht Verbände seit Ende 2022 die Einbindung der Fraktionen gefordert. Wenn die Entlastungsallianz ein erfolgreiches Format sein soll, dann muss sie über das Klein-Klein hinaus spürbare Ergebnisse erzielen. Konkrete Vorschläge für eine schnelle und wirksame Entlastung liegen entscheidungsreif auf dem Tisch."